Sonntag 10 Uhr in einem Keller im Süden Deutschlands. Ein leerer Kasten Tegernseer steht vor mir. Der Ventilator ist auf 11 und die Musiklautstärke auf 3 über dem Maximum. Die Neonröhre flackert. So ungefähr hat für mich die vierte Etappe der Zwift Tri Series (ZTS) by Paceheads begonnen. Für mich persönlich war es erst das zweite Rennen und es galt die Fehler des ersten Rennens nicht zu wiederholen. Maßnahme 1: Trotz bevorstehenden Umzugs habe ich noch in einen zweiten Ventilator investiert. Maßnahme 2: In den Tagen zuvor Kuchen essen und Beine hoch, denn frische Beine helfen beim Zwiften ungemein. Bin ich ein Fan von online Games? Nein. Ist das Wetter schön und die Alpen rufen? Ja! Aber als echter Teamspieler frage ich mich natürlich immer: was kann ich für mein Team tun? Außerdem war die Aussicht auf „Sport in der Gruppe“ auch verlockend nach langer Zeit in Kleinstgruppen. Basierend auf den Ergebnissen der letzten drei Etappen waren wir am Sonntag wirklich stark aufgestellt und hofften auf eine Platzierung im ersten Drittel. Die anstehende Strecke über 19.4 km war jedoch so flach wie der Triathlon in Vierlanden, sodass es spannend werden würde, ob unsere Leichtgewichte wieder so weit vorne landen werden. Am Start bei den Männern waren: Jan Stelzner, Udo van Steevental, Oliver Nissen, Noah Garbers, Lukas und Jonas Schott und ich – Johann Stahnke. Da kann was gehen. Persönlich hatte ich mich auf eine 20 minütige, FTP-Test-artige Anstrengung vorbereitet. In der Realität fahre ich zwar keinen 60er Schnitt, aber Zwift macht sowas möglich. Und ab geht die Luzi! Mein Ziel, sowie das aller anderen war einfach nur in der ersten Gruppe zu bleiben, weil ein Comeback mit Aufholjagd schlichtweg unmöglich zu sein scheint. Vielleicht erfindet Zwift hier noch ein Power Up wie bei Mario Kart…? Und schon sind die ersten fünf Minuten vergangen und ich halte mich weiterhin vorne, wobei ich es ziemlich schwierig finde, meine Position zu halten und nicht ständig entweder ganz vorne oder an Position 60 zu fahren. Dann die traurige Nachricht im Team-Chat: Oli und Noah fehlen! Technischer Defekt. Die Achillesverse eines jeden Zwifters und DER Unterschied zum Real Life. Man stelle sich nur vor bei Kipchoge ginge die GPS Uhr nicht mehr und zack ist Sub 2 auf Zwift Geschichte! Schade für die beiden und auch für unser Teamergebnis. 10 Minuten sind vergangen. Ich halte mich weiterhin im Feld, musste aber aufpassen, dass es keine Ausreißergruppe gibt. Neben mir sehe ich immer wieder Jan fahren. Wir sind also noch mindestens zu zweit. Sehr gut. Nach hinten habe ich überhaupt keinen Überblick mehr- wo ist der Rest? 15 Minuten geschafft. Innerlich freue ich mich über die guten Beine und versuche weiter meine Position zu halten, aber ich beginne meinen Geiz zu verfluchen. Meine alte Tacx Rolle regelt immer wieder den Widerstand nach unten, weil Überhitzung droht. Eigentlich cool- ich bin stärker als meine Rolle. Aber im Rennen super uncool. Wie soll ich denn bei 300 Watt die Gruppe halten? Gott-sei-Dank gibt bekanntlich der Klügere nach und die Rolle gehorcht nach einer kurzen „Ruhepause“ wieder, sodass ich nicht aus der Gruppe fliege. 20 Minuten sind vergangen und ich sehne dem Ende entgegen. Die Gruppe wird nervös und jeder denkt nur noch an die letzten 300 Meter. Mein PowerUp habe ich schon verbraucht, also muss ich mich ganz auf meine Beine im Sprint verlassen. 200 Meter. Sprint. Also zumindest mehr Power. Im Sitzen, denn ich traue der Rolle nicht. Die Rolle regelt ab. Der Widerstand fällt Richtung 300. Aber es gibt einen Trick: Leistung ist Kraft mal Weg. 150 Meter. Kadenz - 130. 100 Meter. Kadenz - unbestimmbar. Ich sehe wie Jan neben mir ins Ziel kommt. Das war also der interaktive FTP-Test. Schnell werden die vergangenen Minuten im Chat besprochen. Durch die beiden Ausfälle ist das Ergebnis leider nicht ganz wie erwartet. Nichtsdestotrotz freut sich jeder über die Leistung der Teammitglieder, sodass trotz social-distancing ein echtes Teamgefühl aufkommt. Super! Wir besprechen und vergleichen noch die gefahrene Leistung und kommen zu dem Schluss, dass Zwift Fehler hart bestraft und Taktik bzw. das Halten der Gruppe das wichtigste in diesem Spiel ist, und nicht nur die absolute Leistung entscheidet. Unser starkes Frauenteam hat mal wieder abgeräumt und ist ganz oben auf dem Podium gelandet. Da können wir uns wirklich noch einiges von abgucken. Herzlichen Glückwunsch dazu! Jetzt heißt es erstmal das zweite Frühstück und den Rest des Sonntags zu genießen. Ich freue mich aber schon auf den nächsten Sonntag, wenn ich allein und mit meinem Team in meinem Keller sitze und schwitze. Danke an Paceheads für die Gels. - Johann Stahnke
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